Blind Equation – A Funeral In Purgatory
Label: Prosthetic Records
Genre: Cybergrind, Electronic Metal, Gothic Metal
Spielzeit: 39:12
Release: 12.07.2025
Line-up:
James McHenry (Vocals, Programming, Synths) Gäste: Strawberry Hospital, JOHNNASCUS
Blind Equation, das Soloprojekt von James McHenry aus Chicago, hat sich mit seinem dritten Album „A Funeral In Purgatory“ endgültig von der Nische des Chiptune-Grindcore emanzipiert und ein Werk geschaffen, das sowohl stilistisch als auch emotional neue Maßstäbe setzt. Was einst als 8-Bit-lastiges Cybergrind-Experiment begann, ist nun ein vielschichtiges, genreübergreifendes Manifest zwischen Gothic Metal, Death Doom, Breakcore und Synthwave. McHenry nutzt das Album als kathartisches Ventil, geschrieben in einer Phase persönlicher Dunkelheit – und genau diese emotionale Tiefe macht „A Funeral In Purgatory“ so eindringlich.
Der Opener „This Eternal Curse“ ist ein chaotischer Ritt durch Blastbeats und retrofuturistische Synths, die an die Soundtracks von „Castlevania“ oder „Chrono Trigger“ erinnern. McHenrys Stimme pendelt zwischen Black-Metal-Screams und autotune-verzerrten Clean-Vocals, was dem Track eine schizophrene Intensität verleiht. Die Produktion ist bewusst übersteuert, fast schmerzhaft, aber nie unkontrolliert. Es folgt „…in Purgatory“, ein brutaler Ausbruch, der an Anaal Nathrakh erinnert – ohne Gitarren, dafür mit Synths, die wie Rasierklingen schneiden. Die rhythmische Struktur ist komplex, fast mathcore-artig, und die Atmosphäre ist bedrückend.
„Flashback“, mit Feature von Strawberry Hospital, bringt eine überraschende Wendung: ein euphorischer, fast tanzbarer Track, der Hyperpop-Energie mit cybergrindiger Härte verbindet. Die Melodien sind verspielt, die Beats hektisch, und doch bleibt der Song strukturell klar. „Nothing“ taucht tief in goth-soaked Territorium ein, mit melancholischen Synths und verzweifelten Vocals, die an Ghost Bath oder Acathexis erinnern. Die emotionale Wucht ist hier zentral – ein Song, der nicht nur gehört, sondern gefühlt werden will.
„It Feels Like The End“, mit dem experimentellen Rapper JOHNNASCUS, ist ein wilder Hybrid aus Metalcore, Breakcore und Industrial. Die Vocals wechseln zwischen Spoken Word und Screams, die Beats sind glitchy und aggressiv. Der Song wirkt wie ein digitaler Zusammenbruch, ein musikalischer Nervenzusammenbruch in Echtzeit. „Relinquished Dreams“ hingegen nimmt das Tempo raus und setzt auf langsame, doomige Passagen, die Raum für McHenrys introspektive Texte lassen. Die Synths sind hier atmosphärisch, fast ambient, und bilden einen Kontrast zur harschen Klangwelt davor.
„Mourn“ ist ein rein instrumentales Stück, das mit industriellen Klängen und gezielt gesetzten Pausen arbeitet. Es wirkt wie ein Moment der Reflexion, bevor „Incomplete“ das Album abschließt. Der letzte Track ist ein Meisterwerk des Blackgaze: über sechs Minuten lang entfaltet sich eine düstere Klanglandschaft, getragen von geschichteten Synths, chugging Riffs und blastbeat-getriebenem Drumming. McHenrys Screams sind hier besonders intensiv, fast flehend, und die Komposition erinnert an Møl oder Deafheaven – episch, emotional, kompromisslos.
„A Funeral In Purgatory“ ist kein einfaches Album. Es fordert Aufmerksamkeit, Geduld und Offenheit gegenüber ungewöhnlichen Klangkombinationen. Doch wer sich darauf einlässt, entdeckt ein Werk voller Tiefe, Schmerz und Schönheit. Blind Equation gelingt hier das Kunststück, extreme Musik mit emotionaler Ehrlichkeit und stilistischer Vielfalt zu verbinden – ein Album, das nicht nur gehört, sondern erlebt werden will.