Calva Louise – Edge Of The Abyss

 

Label: Mascot Records

Genre: Modern Metal, Metalcore, Electro-Pop

Spielzeit: 41:36

Release: 11.07.2025

 

Line-up:

Jess Allanic (Vocals, Guitar)

Alizon Taho (Bass)

Ben Parker (Drums)


Mit „Edge Of The Abyss“ legt das britisch-internationale Trio Calva Louise ein Album vor, das sich wie ein musikalischer Vulkanausbruch anfühlt: chaotisch, genreübergreifend, emotional und doch erstaunlich kohärent. Die Band, bestehend aus der venezolanischen Sängerin Jess Allanic, dem französischen Bassisten Alizon Taho und dem neuseeländischen Drummer Ben Parker, sprengt auf ihrem vierten Studioalbum sämtliche stilistischen Grenzen. Was hier als Modern Metal firmiert, ist in Wahrheit ein wilder Ritt durch Metalcore, Screamo, Latin Rock, Synthwave und Pop – ein Crossover, das nicht nur funktioniert, sondern begeistert.

 

Der Opener „Tunnel Vision“ reißt die Tür mit einem hyperaktiven Hook auf, springt innerhalb von Sekunden von poppigem Refrain zu Dubstep-Drop und landet schließlich in einem metallischen Groove, der an Enter Shikari erinnert. Die Produktion ist glasklar, die Übergänge zwischen den Stilen fließend und überraschend organisch. „W.T.F.“ beginnt mit flüsternder Verzweiflung („What the fuck am I meant to do?“), bevor ein fuzzgetränktes Riffgewitter losbricht. Der Song ist ein Paradebeispiel für die emotionale Direktheit, die Calva Louise auszeichnet – roh, ehrlich, ungeschönt.

 

„Aimless“ ist ein Highlight, das zwischen Englisch und Spanisch pendelt, als würde es Kugeln ausweichen. Die Gitarren sind bissig, die Melodien unvorhersehbar, und die rhythmische Struktur erinnert an progressive Metal-Acts wie Diablo Swing Orchestra. „Lo Que Vale“ bringt lateinamerikanische Energie ins Spiel, mit Jess Allanic in ihrer Muttersprache – ein Stück, das vor Gift und Leidenschaft nur so strotzt. „Impeccable“ ist ein elektronisch geprägter Track, der mit House-Elementen flirtet, während „Barely A Response“ postpunkige Vibes mit Muse-artiger Dramatik verbindet.

„The Abyss“ beginnt wie ein Synthwave-Stück aus „Stranger Things“, mutiert aber rasch zu einem neongetränkten Industrial-Dance-Banger. Die Mischung aus Kitsch und Härte funktioniert erstaunlich gut – ein musikalisches Paradoxon, das sich selbst nicht zu ernst nimmt. „El Umbral“ ist ein rhythmisch komplexes Stück, das zwischen harmonisierten Vocals, Latin-Folk-Beats und Groove-Metal changiert. Die Vielsprachigkeit und stilistische Vielfalt wirken nie bemüht, sondern als natürlicher Ausdruck der Bandidentität.

 

„La Corriente“ bringt eine fast hymnische Qualität ins Spiel, mit einem Refrain, der sich tief ins Gedächtnis brennt. „Hate In Me“ wechselt zwischen Katatonia-artiger Melancholie und Kate-Bush-haften Artpop-Momenten – ein Song, der zeigt, wie weit Calva Louise musikalisch denken. Der Closer „Under The Skin“ ist ein sensorischer Overkill: Riffs, Synths, Screams und Melodien prallen aufeinander, als würde man zwischen Moshpit und Wohnzimmer-Tanzfläche hin- und hergerissen.

 

„Edge Of The Abyss“ ist ein Album, das sich nicht in Schubladen pressen lässt. Es ist progressiv, ohne elitär zu sein; poppig, ohne banal zu wirken; hart, ohne stumpf zu sein. Jess Allanic erweist sich als wandlungsfähige Frontfrau, deren kompositorisches Talent das Album zusammenhält. Die Songs sind keine stilistischen Flickwerke, sondern sorgfältig konstruierte Miniaturen mit eigener Seele. Calva Louise gelingt hier das Kunststück, musikalische Extreme zu vereinen und dabei ein Album zu schaffen, das sowohl fordert als auch Spaß macht. Wer bereit ist, sich auf diesen wilden Ritt einzulassen, wird belohnt – mit einem der spannendsten Modern-Metal-Alben des Jahres.


09.08.2025 veröffentlicht von: Thomas M. © Metal-Division Magazine

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